Matthias Graf von Kielmansegg ist Mitglied der Geschäftsführung der Vodafone Stiftung Deutschland
Derzeit verhandeln Bund und Länder über die nächste Stufe der Digitalisierung im deutschen Schulwesen. Der Digitalpakt II soll den Schulen weitere Mittel in Milliardenhöhe sichern. Tatsächlich könnte eine weitere Digitalisierung einen echten Qualitätssprung in der Bildung auslösen. Gleichzeitig bieten die Verhandlungen die Chance, den Beweis anzutreten, dass der deutsche Bildungsföderalismus eine Zukunft hat.
- Digitale Tools können den Lehrern helfen, den Unterricht anschaulicher und praxisnäher zu gestalten. Den Schülern und Schülerinnen geben sie neue Möglichkeiten an die Hand, das gemeinsame wie das selbstständige Lernen zu verbessern.
- Mit intelligenten Programmen können die Schüler besser in ihrem eigenen Tempo lernen. Die Schulen können damit einem zentralen Ziel ein großes Stück näher kommen: dem individuell angepassten Lernen.
- Zudem kann die Bildungspolitik ihre Ressourcen mithilfe der Digitalisierung effizienter steuern, etwa beim Einsatz der Lehrkräfte oder bei der Einbindung von außerschulischen Bildungsanbietern.
Um diese Ziele zu erreichen, braucht es mehr als nur neue Endgeräte oder leistungsfähigere Server. Denn gute digitale Lösungen erfordern viel Entwicklungsaufwand, eine stete Qualitätskontrolle und große Datenmengen. Ihre Wirkung entfalten sie umso stärker, je mehr Lehrkräfte und Schüler teilnehmen. Das geht nur durch eine digitale Zusammenarbeit über die Grenzen der einzelnen Bundesländer hinweg, mit gemeinsamen Schnittstellen und Regeln für Identifizierung und Nutzung und einem abgestimmten Datenschutz. Mit anderen Worten: Wir brauchen einen nationalen Bildungsraum, nicht sechzehn Regionallösungen. Es ist kein Zufall, dass die allermeisten fortgeschrittenen Produkte außerhalb Deutschlands entwickelt worden sind, etwa die vielerorts genutzten Lernplattformen itslearning aus Norwegen oder moodle aus Australien.
Auch bei der Forschung braucht es ein Zusammenwirken aller in Deutschland vorhandenen Kapazitäten. Warum nicht ein bundesweites Forschungsprogramm aufsetzen, das die Auswirkungen und Potenziale von großen Sprachmodellen à la ChatGPT in der Bildung analysiert? Kein Bundesland besitzt, wenn es ehrlich ist, die dazu notwendigen Kräfte allein. In der Digitalisierung gibt es keine föderale Autarkie.
Der Digitalpakt I war im Wesentlichen eine Investitionshilfe für Hardware. Der Digitalpakt II muss mehr werden. Wenn er nur Aufgaben finanziert, die jedes Bundesland für sich selbst durchführen kann, dann verpasst er eine Chance. Wenn der deutsche Bildungsföderalismus aber seine Finanzinstrumente und die Maßnahmen der Länder zu einem gemeinsamen Bildungsraum verbindet, dann kann er exemplarisch zeigen, dass er reformierbar ist.
Dazu ist nicht einmal eine Verfassungsänderung nötig. Denn bei der Digitalisierung erlaubt das Grundgesetz mit Artikel 91 c, dass Bund und Länder in Schulangelegenheiten zusammenarbeiten, und zwar nicht nur bei Investitionen, sondern ebenso beim Betrieb und beim Unterhalt der Digitalstrukturen.
Alternativ können die Länder die Sache aber auch unter sich regeln, nämlich durch einen Staatsvertrag. Genau das sollte dann der Bund als Voraussetzung für sein Engagement allerdings auch einfordern: kein Geld ohne Einigung der Länder. Tatsächlich gibt es durchaus eine Reihe von Kultusministern, die davon überzeugt sind, dass unser Bildungsföderalismus verbindlichere Instrumente der Selbstkoordinierung braucht.
Das Zusammenwirken bei der Digitalisierung der Schule ist übrigens selbst dann möglich, wenn der Bund meint, infolge des Verfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse nur noch wenig Geld für den Digitalpakt II aufbringen zu können. Verzögern und Verschieben wäre hingegen die schlechteste aller Lösungen. Die entscheidenden Maßnahmen brauchen vor allem politischen Willen. Die gute digitale Zukunft der Schulen sollte dafür Grund genug sein.